Eine Radtour ins Ammerland

Ein Mal im Jahr wollen wir was ganz Langes fahren. Wieder nach Berlin 400km? Bevor es langweilig wird, lieber was anderes. Oder noch Mal nach Rostock/Schwerin 500km wie 2020? War schön, könnte aber auch einmalig bleiben. Eine Schleswig-Holstein-Rundfahrt in einem Törn? Da kennen wir ja jeden Weg. Oneway nach Köln oder Amsterdam? 

Rückfahrt kompliziert und teuer. Also doch Start und Ziel in Nortorf. Hmmmm, was wäre denn mal ein schönes Ziel. Und irgendwie komme ich auf Westerstede, da wohnt mein BDR-Präsidiums-Kollege Berend… Berend, bist du am 2. Juli zu Hause? Jo. Ich komm dich besuchen und du darfst mir was kochen. Jo. Ich bring noch ein paar Leute mit. Kein Problem!

Streckenplanung

Die Strecke stellt sich von alleine auf. In Glückstadt über die Elbe, in Bremerhaven über die Weser und über Butjadingen und Varel nach Westerstede. Für den Rückweg stelle ich fest, dass man zwischen 22 und 5 Uhr 

weder über die Weser noch über die Elbe kommt; es sei denn man fährt über Bremen und Hamburg. Also Preußeneck und Varel raus, Bremen-Nord und den Alten Elbtunnel rein. 520 km, passt! 

Start in Nortorf und auf geht`s zur Elbe

Wegen Urlaub und der Tour de France in Dänemark, sind nur noch drei Leute übriggeblieben. Björn, Günter und ich. Passt auch. Wir treffen uns um 7.15 bei uns zum Frühstück. Günter kommt schon mit dem Rad aus Kiel, Björn bringt Brötchen mit, den Rest zaubert Andrea auf den Tisch. Wir müssen los! 7.55 Start. Es geht über Aukrug nach Hennstedt. Ohne Scheiß, Hennstedt war das Dach der Tour, der höchste Punkt mit 70 hm. 

Nach Kellinghusen ging es abwärts, dann kam die Störniederung und die Marsch, an Krempe vorbei haben wir nach 62 km die Elbfähre in Glückstadt erreicht. Da wir 5 min früher gestartet sind, trotz Gegenwind gut unterwegs waren und die Fähre 5 min Verspätung hatte, haben wir eine Fähre früher erreicht und so eine halbe Stunde gewonnen – wer weiß, wozu man das noch braucht… 😊 

Von der Elbe zur Weser

Also, über die Elbe haben wir es schon mal geschafft und jetzt geht es meist am Elbdeich entlang Richtung Cuxhaven. Ihr wisst ja, ich liebe Kopfsteinpflaster, da kann man so herrlich drüberbügeln… nur meine Satteltasche hat das nicht mitgemacht, die ist aus der Halterung gerissen. Hält noch so geradeeben, ich muss vorsichtig fahren, allzu große Erschütterungen darf sie nicht mitmachen. Trotz Gegen- und Seitenwind erreichen wir locker und zügig nach 115 km Cuxhaven, eine ¾ Stunde 

vor dem Zeitplan und machen die erste Pause. An der Tanke natürlich, an der Tanke bekommt man alles, und zwar schnell. Cuxhaven könnte so schön sein, aber es ist ein richtiges Touridorf, voll bis zum gehtnichtmehr. Unser Schnitt sinkt von 26.5 auf 25.8 nur wegen der Fahrt durch Cuxhaven. Memo an mich: Cuxhaven umgehen! Weiter geht es jetzt Richtung Süden und der Wind kommt richtig von vorne, wir fahren direkt hinterm Nordseedeich gen Bremerhaven.

Zwischen Weser und Ammerland

Die ersten Ladekräne von Bremerhaven werden sichtbar, es geht durch das riesige Hafengebiet. Ich weiß nicht genau, wo der Fehler war, aber die eingezeichnete Tanke war nicht vorhanden und auch sonst gab es auf unserem Track keine Einkaufsmöglichkeit. Ich bin fest davon überzeugt, dass man Bremerhaven nur lieben kann, wenn man dort geboren wurde, oder ich habe den Charme noch nicht entdecken können. So haben wir nach 170 km

die Fähre eine Stunde früher als geplant erreicht. Die Pause haben wir dann an der Tanke in Nordenham nachgeholt. Weiter geht es durch das Butjadinger Land, am Jadebusen vorbei, durch Orte, dessen Namen ich noch nie gehört habe. Obwohl der Gegenwind unser treuer Freund ist, kommen wir gut voran und erreichen Westerstede nach 233 km, 1 1/4 Stunde vor dem Zeitplan. 

Bei Meyers zu Gast

Mit Berend hatte ich immer Kontakt, er wusste also, dass wir früher da sind. Wir wurden von Familie Meyer bestens verpflegt und aufgenommen. Es gab klassisch Nudeln mit Soße, da macht man nichts verkehrt. Es war sooooo schön im Garten, wir wären gerne noch geblieben, aber 

wir mussten weiter. Noch Mal Getränke nachfassen, noch Mal zur Toilette, zwei Kabelbinder für meine Tasche und ab durch den lauen Sommerabend. 
DANKE an Familie Meyer! 

Mit Volldampf zur Fähre

Es passiert ja immer Mal, dass der Wind im Laufe eines Tages dreht, aber warum dreht der um  Schlag 21 Uhr von Südwest auf Ost? Hä? Wieder Wind von vorne, aber wir sind es ja gewohnt. In Oldenburg haben wir die Hälfte der Strecke erreicht, es geht locker weiter gen Weser. Dass wir früher im Zeitplan sind, war klar, aber wie passt das zur Weserfähre in Berne? Eine fährt um 21.40, 

hmmm, 21.20, noch 10,6 km, schaffen wir! Die geplante Tanke lassen wir aus, wir sind noch gut versorgt. Zum Glück sind wir noch gut versorgt, denn nach Google sollte die Tanke durchgängig geöffnet sein, war sie aber nicht. Na ja, wir brauchten ja auch nichts und so rollten wir um 21.41 auf die Weserfähre nach Bremen-Farge, 1.50 vor dem Zeitplan. 

Die Nacht gehört uns

Die Sonne war schon am Untergehen, es wurde frisch. Armlinge und meine Leuchteweste kamen zum Einsatz, Helmlampe an, Licht an. Weiter über Schwanewede und Osterholz-Scharmbek gen Osten. Mittlerweile war es dunkel, wir kamen gut voran, aber nicht mehr ganz so schnell. Eine Erfahrung, die man in der Nacht macht, ist, dass man gefühlt schneller fährt als in der Realität. Nach zwei Stunden im Sattel müssen wir mal runter und legen 

ein Päuschen in Tarmstedt ein. Weiter geht es über die Timkes, die Nacht gehört uns, auf den Straßen ist nichts los, herrlich. Der Vorteil von Nachtfahrten, das Wenige was kommt, sieht man schon rechtzeitig. Eigentlich wollte ich über Zeven fahren, aber in Zeven hat nichts auf. Die einzige Möglichkeit zwischen Bremen und Hamburg ist der Rasthof Elsdorf an der A1, den wir um 0:50 erreichen. Päuschen.

Hamburg, wir kommen...

70 km bis zum Alten Elbtunnel, Hamburg ist unser nächstes Ziel. Unterwegs gibt es nur eine kurze Pullerpause. Die Lichter der Stadt sind weithin sichtbar, um 3:15 mischt sich bereits ein anderes Licht in die Farben des Himmels, es gibt blaue Stellen zwischen den Wolken und die Piepmätze beginnen zu zwitschern, der Morgen naht. Um 3:30 erreichen wird das Ortsschild von Hamburg, es ist so gut wie nichts los auf den Straßen, aber gefühlt sind alle Ampeln auf rot gestellt. Wir fahren durch das riesige Areal des Hamburger Hafens, tagsüber möchte hier nicht durch, aber es gibt nur einen Weg zum Tunnel. Um 4:25 erreichen wir das Hamburger 

Monument, 1.45 vor dem Zeitplan. Die Jungs sind noch nie durch den Tunnel gefahren, dann ist natürlich die Aussichtsplattform ein Muss! Herrlich, um diese Zeit. Durch den Tunnel, auf der anderen Seite zum Fischmarkt, die Zeit die ich eingeplant hatte, brauchten wir auch. Hier ist deutlich mehr los, die Nachtschwärmer bereiten sich auf das Ende der langen Nacht vor. Wir finden auf dem Fischmarkt alles was wir brauchen, obwohl sich ein bekanntes Phänomen breit macht. Ich leide bei ganz langen Touren immer unter Appetitlosigkeit, ich weiß nicht mehr, was ich essen soll. OK, ein Schokofranzbrötchen geht immer und Cola sowieso.

Hilfe in Barmstedt

Um 7 Uhr sollten wir den Fischmarkt verlassen, um 5 sind wir dann los, also 2 Stunden schneller. Der Track durch Hamburg ist wohl „nur“ um diese Zeit fahrbar. Wir verlassen Hamburg und fahren durch die Vororte. Schenefeld, Halstenbek, Rellingen, Pinneberg, alles eins. Hinter Kummerfeld kommen wir endlich wieder in ländliche Räume. Von Hamburg sind es 90 km nach Nortorf, einzige Möglichkeit zur Verpflegung wäre noch Mal Barmstedt gewesen, aber da wir so früh unterwegs 

waren, hatte noch nichts auf und Günter ging das Wasser aus. Wir fuhren an einem Seniorenheim vorbei und die Mitarbeiter machten gerade Pause vor dem Gebäude und prosteten uns mit Kaffee zu. Halt, da fahren wir hin. Das Team ist supernett, die haben uns mit allem verpflegt, was wir wollten, die hätten uns sogar ein ganzes Frühstück bereitet, wollt ihr dies, wollt ihr das. Eine Toilette wäre ganz gut. Kein Problem. Endlich mal Abwechslung im Alltag. Aber wir müssen weiter…

Mit Nachschlag nach Hause

Trotz der zusätzlichen Pause sind wir immer noch zwei Stunden vor dem Plan und ich werde meine insgeheim gefasste Idee umsetzen. Ich bin noch nicht müde, habe ein paar Befindlichkeiten in den Armen und Schultern und na klar am Hintern, aber die Beine sind super. Wenn ich erst um 11 zu Hause sein soll, dann mache ich das auch und bringe Günter noch Richtung Kiel. Nicht 510 km, sondern 555 sind jetzt mein Ziel. Björn, dessen erste ganz lange Tour das ist, hat genug, er hat eh schon die 

ganze Zeit rumgejammert. Günter ist Kummer gewohnt und trainiert eh für HBK (Hamburg-Berlin-Köln-Hamburg 1.500 km), da sind 600 km ja Peanuts :-D In Krogaspe trennen wir uns, Björn ist um 9 in Nortorf, Günter begleite ich noch nach Grevenkrug und ich drehe noch eine Runde über Westensee, fahre noch hier längs und da längs, so dass ich auf genau 555,5 km komme – um 10:45 rolle ich ein. Erst mal raus aus den Klamotten, duschen, ein Eis und dann schlafen… 

Nachbetrachtung

Insgesamt habe ich die Tour sehr gut überstanden, außer den erwähnten Befindlichkeiten, war alles bestens. Ich hätte auch noch weiterfahren können. Dass ich nicht müde war, habe ich wohl etlichen Dosen Energy-Drinks und Cola zu verdanken und auch die Beine waren topfit. Na ja, 7.000 km sind 7.000 km. Am Montag waren die Befindlichkeiten so gut wie weg, aber die Beine meldeten sich, ich konnte im Dienst kaum gerade laufen, hinhocken ging gar nicht. Am Dienstag war das schon viel besser und am Mittwoch hätte ich schon wieder auf große Fahrt gehen können. Und ich habe für mich persönlich wieder entschieden: Alles was ich mit einer Nacht Schlafentzug fahren kann mache ich, also 500 bis 

 sagen wir Mal 700 km. Alles was dann kommt ist nichts mehr für meinen Körper, das überlasse ich dann anderen. Aber ansonsten – immer wieder! Die Strecke war super, vor allen Dingen superflach. Der Wind war dreckig, als er ab Hamburg endlich von hinten kam, war er auch eingeschlafen und so war der Fahrtwind spürbar, also fast 500 km Gegenwind. Und die Jungs waren prima, wir waren ein gutes Team. Unterwegs hatten wir den Generationenvertrag geschlossen, Björn als Jüngster wollte immer vorne fahren, Günter mit seinem Panzer in der Mitte und ich als Ältester durfte hinten draufliegen. So, freu mich auf die nächste lange Tour, mal schauen wohin wir dann fahren…